Demokratie contra Demagogie
16. Januar 2010
von Hans Günther Coers
Dresdner Bürger, interessiert am Baufortschritt der Waldschlößchenbrücke, nehmen regelmäßig am „Brückenpicknick“ teil. Bei der letzten Veranstaltung im Dezember fiel einigen beim Betrachten der Baupläne auf, dass „abzubaggernde Uferflächen“ auf beiden Elbseiten außerhalb des Planungsgebietes eingetragen sind, zwecks Einschwimmen des Brückenhauptträgers. Zweifel, ob dies rechtens und genehmigt sei, bestätigten sich. Die Grüne Liga wandte sich, ihrer Satzung gemäß, an die Landesdirektion Dresden. Der Träger des Bauvorhabens, die Stadt Dresden, reagierte mit der Anordnung zur Einstellung der ungenehmigten Bauarbeiten im Uferbereich der Elbe bis zur Korrektur des Planungsfehlers in einem Ergänzungsverfahren zum Planfeststellungsbeschluss. So weit, so rechtens.
Die Verantwortung für die neuerliche Verzögerung des Baus der Waldschlösschenbrücke tragen allein die Bauplaner und eine inkompetente Stadtverwaltung. Ihre oberflächliche und schlampige Arbeit kostet nun zusätzliche Millionen, die ihnen wohl nicht angelastet werden. Dafür stehen wir Steuerzahler bereit. Genauer gesagt, die Stadt muss soziale und kulturelle Vorhaben streichen. Die CDU-Stadtratsfraktion dagegen hat für Recht und Gesetz nichts übrig. Sie ist „empört“ über das „groteske“, „ständige Quertreiben“ der „Umweltaktivisten“. „Die Brückengegner meinen wieder ein Haar in der Suppe gefunden zu haben.“ Ist doch klar: Seit Jahrtausenden wird der Überbringer der schlechten Nachricht getötet, nicht der Verursacher. Demagogie. Folgenlos?
Dr. Helfried Reuther, Pressesprecher der CDU-Fraktion im Stadtrat der Landeshauptstadt Dresden, hat damit eine Kampagne losgetreten, deren Folgen man auf der Internetseite von Dresden-Fernsehen nachlesen kann. Da tobt eine „Diskussions“-Unkultur im Stile der schlimmsten Zeiten deutscher Geschichte. Die „Brückengegner“, die „ewig herumstänkern“ und „sinnloserweise herumpalavern“, sind „wohl doch sehr, sehr einfach strukturierte Mitmenschen“, die „Deppen der Nation“, „die Stasi sind doch genug von denen bei den Brückengegnern“, „Ökofaschisten“, „Verbrecherverein namens Grüne Liga“, und: „Früher wäre da bestimmt gleich die Stasi gekommen, aber das ist eine andere Geschichte. Aber in Bautzen wären die besser aufgehoben, wenn sie so radikal negativ auftreten.“ Soweit Auszüge aus den Kommentaren zu Helfried Reuther: „CDU empört über Brückengegner“ auf der Internetseite von Dresden-Fernsehen unter „Bauprojekte“, Freitag, 8. Januar 2010, 18.41 Uhr. Das ist das Werk von Herrn Dr. Reuther; sein Beitrag zur Dresdner Kulturförderung. Folgenlos?
Noch einmal im Klartext: Das „Haar in der Suppe“ ist ein eklatanter Verstoß gegen Vorschriften des Naturschutzrechts der Europäischen Union, denen der als Flora-Fauna-Habitat-Gebiet geschützte Fließgewässerlebensraumtyp der Elbe an dieser Stelle auf Initiative des Freistaates Sachsen unterliegt. Wenn schon die DDR wieder ins Spiel gebracht wird: Die DDR hatte international anerkannte Umweltschutzrechtsvorschriften! Auf dem Papier. Sie hießen „Landeskulturgesetz“, da es selbstredend im Sozialismus nichts geben konnte, wovor die Umwelt zu schützen war. Die rechtlichen Regelungen aber waren vorbildlich, nur wurden sie nicht beachtet. Wer die Nichtachtung der Gesetze thematisierte, wurde von der Partei als Staatsfeind verunglimpft und gemaßregelt. Das Verhalten von Herrn Dr. Reuther im Namen seiner Fraktion erschreckt in Anbetracht dieser Erfahrung. Folgenlos?
Herr Dr. Reuther sollte sich entschuldigen. Das könnte den für Dresden entstandenen Imageschaden begrenzen. Die CDU sollte ihn dabei unterstützen.
Hinweis: Dieser Zwischenruf ist als Leserbrief am 16.01.2010 in den DNN erschienen.