Vorweg ein Wort aus berufenem Munde: In einem Schreiben von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 28.03.2008 heißt es: „Eine Streichung des Dresdner Elbtals aus der Welterbeliste würde das Ansehen Deutschlands und das Verhältnis Deutschlands zur UNESCO erheblich beeinträchtigen. […] Die UNESCO-Welterbekonvention [ist] bereits [im Jahr 1976] wirksam in innerstaatliches Recht übertragen worden und bindet alle staatlichen Ebenen in Deutschland – Bund, Länder und Gemeinden – gleichermaßen.“
Die Landeshauptstadt Dresden stellt ihrer eigenen Internetseite zum Thema „Dresdner Elbtal ist Welterbe Welterbe der UNESCO“ folgendes Zitat voran:
Ich blickte von dem hohen Ufer herab über das herrliche Elbtal, es lag da wie ein Gemälde von Claude Lorrain unter meinen Füßen – es schien mir wie eine Landschaft auf einem Teppich gestickt, grüne Fluren, Dörfer, ein breiter Strom, der sich schnell wendet, Dresden zu küssen, und hat er es geküßt, schnell wieder flieht …
Heinrich von Kleist
Weiter heißt es: „Die bis heute erhaltene Qualität des Dresdner Elbtals mit seinem harmonischen Zusammenklang von Natur und Architektur, von Stadt und Landschaft ist durch die UNESCO-Welterbekommission am 2. Juli 2004 in den Rang einer Welterbestätte erhoben worden. […] Damit wird das Bemühen der letzten 600 Jahre, die Stadt nicht gegen die natürlich gewachsene Landschaft und Natur, sondern in Respektierung des Naturraumes zu entwickeln, als in der Welt einzigartige Leistung anerkannt. Das Elbtal Dresden in dieser Tradition behutsam und mit Anstand weiter zu entwickeln, ist die Aufgabe unserer und kommender Generationen.“
Am 02.07.2004 hat die UNESCO das Dresdner Elbtal in die Liste der Weltkulturerbestätten aufgenommen, nachdem Dresden am 06.01.2003 seine Bewerbung um den Weltkulturerbetitel eingereicht hatte.
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Damit zunächst zur Frage: Wer ist überhaupt die UNESCO?
Die UNESCO und das Welterbe
UNESCO steht für „United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization“ (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation). Ihr gehören 193 Mitgliedstaaten an, sie ist eine rechtlich eigenständige Sonderorganisationen der Vereinten Nationen und hat ihren Sitz in Paris. Die UNESCO hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kultur- und Naturgüter der Menschheit, die einen „außergewöhnlich universellen Wert“ besitzen, zu erhalten. Über 850 Stätten weltweit sind auf der UNESCO-Liste des Welterbes verzeichnet, 32 davon in Deutschland.
Das Verfahren zur Aufnahme eines Kultur- oder Naturguts in die Welterbeliste regelt eine eigene Richtlinie. Hier (Seite 23) sind auch die Kriterien festgeschrieben, nach denen die UNESCO „ein Gut als von außergewöhnlichem universellem Wert“ betrachtet. Für das Dresdner Elbtal sind es die Kriterien ii), iii), iv) und v).
Wichtig ist hierbei, dass der „außergewöhnliche universelle Wert“ eine Eigenschaft ist, die ein Kultur- oder Naturgut an sich besitzt. Es erhält diesen Wert nicht etwa, weil die UNESCO ihm einen Welterbetitel verleiht – der Welterbetitel der UNESCO attestiert schlichtweg nur, dass es diesen Wert hat. Das schließt ein, dass der Welterbetitel von der UNESCO entzogen wird, wenn das Kultur- oder Naturgut durch Beschädigung oder Zerstörung diese Eigenschaft verliert. Es gibt keinen Anspruch auf einen Welterbetitel.
Der Welterbetitel bescheinigt einem Kultur- oder Naturgut, dass es von außergewöhnlichem universellem Wert ist.
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Nun zur Frage: Welche Verpflichtungen ergeben sich aus dem Welterbetitel?
Die Bindungswirkung der UNESCO-Konvention
1972 hat die UNESCO das „Internationale Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ verabschiedet, inzwischen haben es 184 Staaten unterzeichnet. Es ist das international bedeutendste Instrument, das jemals von der Völkergemeinschaft zum Schutz ihres kulturellen und natürlichen Erbes beschlossen wurde.
Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat jüngst in einem Schreiben erneut klargestellt, dass „die UNESCO-Welterbekonvention bereits [1976] wirksam in innerstaatliches Recht übertragen worden [ist] und alle staatlichen Ebenen in Deutschland – Bund, Länder und Gemeinden – gleichermaßen [bindet].“ Sie nimmt damit Bezug auf ein Gutachten der Bundesregierung vom 16.01.2008. Es greift die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts vom 29.05.2007 zur Bindungswirkung der Welterbekonvention (Absatz 35) auf und bestätigt die bereits im August 2006 getroffene Einschätzung der deutschen UNESCO-Kommission, dass der Freistaat Sachsen und die Landeshauptstadt Dresden sich mit dem Bau der Waldschlößchenbrücke schlicht über das Völkerrecht hinwegsetzen.
Mit der Bewerbung um den Welterbetitel für das Dresdner Elbtal, welche die Landeshauptstadt Dresden und der Freistaat Sachsen im Jahr 2003 der UNESCO übermittelten, erkennen sie eben diese UNESCO-Welterbekonvention ausdrücklich an.
Für den Freistaat Sachsen und die Landeshauptstadt Dresden leitet sich damit aus der Richtlinie der UNESCO unter anderem die Verpflichtung ab (Seite 4, Punkte c und h), „den Schutz des Erbes in umfassende Planungen einzubeziehen; [… sowie …] vorsätzliche Maßnahmen, die mittelbar oder unmittelbar ihr Erbe […] beschädigen, zu unterlassen.“
Nach der jüngsten Entscheidung der UNESCO bedeutet das einerseits, dass mit dem angelaufenen Bauvorhaben zur Errichtung einer Waldschlößchenbrücke offensichtlich und massiv gegen geltendes Recht und internationale Abkommen verstoßen wird. Es bedeutet andererseits aber auch, dass die an dieser Stelle von den Dresdner Bürgern gewünschte Elbquerung durch den Elbtunnel realisiert werden kann.
Der Bau einer Waldschlößchenbrücke ist nicht nur einfach umstritten. Er stellt einen Rechtsbruch und eine Mißachtung internationaler Verpflichtungen dar.
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Mit der letzten Frage schließt sich der Kreis: Welchen Nutzen bringt der Welterbetitel?
Der Wert des Welterbetitels
Zuallererst attestiert der Welterbetitel den Dresdner Bürgern, dass sie das Glück haben, in einer Kulturlandschaft von „außergewöhnlichem universellem Wert“ zu leben. Für die Dresdner beschreibt das die bemerkenswerte Lebensqualität ihrer Heimatstadt, für ihre Gäste den Anreiz zum Besuch der Stadt. Erinnert sei an die Worte von Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse: „Dresden ist nicht berühmt für seine Brücken.“ Nein, bestenfalls berüchtigt. Dresden ist berühmt für seine einmalige Stadtlandschaft mit ihren weiten, unverbauten Elbauen.
Die Touristik ist eine der wichtigen Dresdner Branchen. Bereits im Jahr 2004 wurde hier ein Umsatz von 1,5 Milliarden Euro erzielt, 28.000 Dresdner lebten mittelbar oder unmittelbar vom Tourismus. Der Welterbetitel der UNESCO hebt die Attraktivität Dresdens hervor und sorgt dafür, dass die Stadt insbesondere international besser wahrgenommen wird.
Die Touristik-Branche weiß: Ein Welterbetitel rechnet sich in bare Münze um. So ist etwa der Reiseveranstalter LTU eine Partnerschaft mit der UNESCO eingegangen, für die das Unternehmen mit folgenden Worten wirbt: „Der Zusammenarbeit liegt das Prinzip ‚Schutz durch touristische Nutzung‘ zugrunde. Die Welterbe-Stätten profitieren finanziell durch den Besuch von Touristen. Gleichzeitig steigen Bekanntheitsgrad und Ansehen. Und nur was man kennt und liebt, wird als schützenswert angesehen … Der Erhalt des Welterbes wiederum bietet dem Tourismus langfristig attraktive Reiseziele.“
Das hat auch die Dresden-Werbung und Tourismus GmbH (DWT) erkannt. In ihrer Mittelfristigen Marketingstrategie für 2007-2010 schreibt sie (Seite 12): „Eine Verbesserung der Gesamtsituation ist über ein qualitatives Wachstum zu erreichen, dies bedeutet: Landen im Niveau-Millieu! Dresden ist attraktiv durch Frauenkirche, Grünes Gewölbe, UNESCO […]. Dresden muss diese Stärken festigen, um die Zielgruppe ‚Kaufkräftiges Publikum‘ aus dem Westen und dem Ausland zu gewinnen. […] Dresden steht wie Rom, London und Paris nicht wegen einer einzelnen Attraktivität im Reiseinteresse, sondern wegen des Gesamteindrucks.“
Diesem Ziel wird die Stadt gewiss nicht durch ein Bauvorhaben wie die Waldschlößchenbrücke näher kommen, dass zur Aberkennung des Welterbetitels durch die UNESCO führt – zumal dieser Weg ohne Not eingeschlagen wurde, denn es gibt eine vernünftige und welterbeverträgliche Lösung für die Elbquerung: den Elbtunnel.
Vor diesem Hintergrund ist die Bemerkung des Sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt: „Der Welterbetitel ist verzichtbar.“ nicht nur unsäglich. Für die Touristik-Branche ist sie schlichtweg ein Debakel.
Mit der Gefährdung des Welterbetitels sorgen Landesregierung und Stadtverwaltung nicht nur für politische Verstimmungen. Sie richten wirtschaftlichen Schaden an.
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